Sexualität
Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Sex unterscheidet zwischen Partnerschaft und Freundschaft. Im Normalfall gehen wir nicht mit unseren Freunden ins Bett, sondern mit unserem Partner. Es entsteht eine Abgrenzung, die sagt: Schaut her, wir sind etwas Besonderes, wir machen Dinge zusammen, die wir nicht mit jedem machen. Wir haben eine Exklusivität, wir sind ein Liebespaar.
Hier möchte ich das Bindungshormon Oxytozin ins Spiel bringen. Oxytozin ist ein Hormon das unser Körper in verschiedensten Situationen, unter anderem auch beim Sex produziert und damit für Zuneigungs- und Bindungsgefühle sorgt. Bei der Frau wird dieses Hormon nach dem Sex und bei dem Mann bereits schon bei Aussicht auf Sex produziert. Das erklärt sein Balzverhalten vor dem Akt und das Kuschelverhalten der Frau, danach. Wenn er sich also nach dem Sex umdreht, muss das nichts mit seiner Liebe zu tun haben, sondern vielleicht mit seiner Libido. Wer übrigens hin und wieder mal nur ein bisschen sexuellen Spaß haben möchte, sollte dieses Hormon nicht unterschätzen, es kann bei gewünschter Unverbindlichkeit zum „Problem“ werden.
Es spielen ebenfalls Emotionen und Erfahrungen eine große Rolle. Wie bin ich mit Sexualität groß geworden? Wie selbstbewusst bin ich mit meinem Körper? Kenne ich meine Vorlieben und sexuelle Orientierung? Glaube ich dem Sex aus Pornos? Kann ich mich fallen lassen? Wie wichtig ist mir der Sex in der Partnerschaft? Sex kann zu einem Pflichtgefühl werden und massiven Druck aufbauen. Nichtsdestotrotz sollte es beim Sex vordergründig um den Spaß auf beiden Seiten gehen und nicht um eine Orgasmus-Jagd.
Der Orgasmus der Frau bleibt das Problemkind, oft auch für die Frauen selbst, weil viele ihren eigenen Körper und seine Reaktionen gar nicht kennen. Schuld daran ist ein altes System, in dem Frauen keine Lust zugesprochen wurde, Sex als eheliche Pflicht ausgeführt werden musste und die sexuelle Aufklärung ein großes Tabuthema war. Das weibliche und männliche Geschlecht wurde uns als ein Fortpflanzungsorgan gelehrt und wie man sich fortpflanzt lehrten uns dann die Pornos. Dort sehen wir auch, in unrealistischen Maßstäben, wie unsere Körper auszusehen haben, was gerade bei jungen Menschen dafür sorgt, dass sie ihr Äußeres und ihr Genital negativ bewerten - oder sogar operieren lassen. Wir sehen Männer mit ausgeprägt großen Penissen, die immer stehen und Frauen mit Dauerorgasmus. Die Folge: Wer keinen Sex hat wie im Fernsehen mit dem stimmt was nicht. Anspannung auf beiden Seiten, dabei sind wir doch jeder individuell und ohne allgemeine Bedienungsanleitung für unsere Liebesorgane.
Das Timing zwischen Mann und Frau ist wichtig. Während der Mann nach bereits 3 Minuten seinen Orgasmus erreichen kann, braucht die Erregungskurve bei der Frau mehr als 13 Minuten. Der Puls und die Atemfrequenz werden erhöht, um die Schwellkörper im Genitalbereich mit Blut zu füllen und den Vaginaleingang und die Zervix* weich werden zu lassen. Die männliche Sexualität kann man mit Feuer vergleichen, denn sie ist schnell heiß und auch schnell wieder kalt. Die weibliche Sexualität ist wie Wasser, das langsam warm wird und auch länger heiß bleibt.
Oft begehen wir den Fehler, auf unseren Partner das zu projizieren, was wir uns für uns selber wünschen. So kommt es z.B. dazu, dass sie ihn am Hals küsst, am Ohrläppchen knabbert, süße Dinge säuselt und er ihr dann freudig zwischen die Beine greift. Da kann der Ofen schnell wieder aus sein.
Für guten Sex gibt es viele Zutaten. Das Mischungsverhältnis dieser Zutaten wiederum ist abhängig von den Vorlieben und der sexuellen Orientierung der Beteiligten. Dazu können Hilfsmittel dienen, wie z.B. eine Lustampel. Hier werden die Vorlieben, Bedürfnisse und Phantasien in den Zonen Rot (no go), Gelb (situationsabhängig) und Grün (macht mich an) genaustens beschrieben. So können beide offen über ihre Lust reden, diese definieren und die Wichtigkeit für den Partner verstehen, ohne projizieren zu müssen. Ein Game Changer für Langzeitbeziehungen kann z.B. Slow Sex oder Tantra sein. Um hier gemeinsam kreativ zu werden, schauen wir uns in der sechsten Säule eure Vision von Partnerschaft an.
*Die Zervix ist ein Lustorgan am Gebärmutterhals, welches mit Nervensträngen zum Gehirn verbunden ist und sogar beim Zervix Orgasmus DMT ausschütten soll.